Eske wartete geduldig, bis Editha sie von oben bis unten begutachtet hatte. Hier und dort zupfte sie das Kleid noch zurecht, dann stemmte sie zufrieden die Hände in die Hüften und trat zurück. „Ja, ich denke, das Kleid wirst du tragen können.“
Auf einen Wink stieg Eske vom Hocker und betrachtete sich im Spiegel. Der Stoff des gelben Kleides war leicht und umspielte ihre Figur. Er war nur an den Oberarmen und ihrer Taille eng gerafft. „Eine weniger auffällige Farbe wäre mir lieber gewesen“, meinte sie und drehte sich ein wenig. Dann legte sie die Hände an die Taille und zupfte selbst am Stoff. „Und es ist hier zu eng.“
Editha trat neben sie und betrachtete ebenfalls ihr Spiegelbild. Das Rot ihres Kleides war nicht weniger auffällig, schmeichelte jedoch ihrer hellen Haut und den schwarzen Haaren weit mehr, als Eske das satte Gelb. „Hättest du mir etwas früher mitgeteilt, dass du kein Kleid für einen Sommerabend-Empfang besitzt, hätte ich noch einen Schneider beauftragen können, um dir ein Kleid nähen zu lassen. Jetzt musst du damit vorlieb nehmen, was ich hier habe.“ Sie tätschelte Eske die Schulter und grinste verschmitzt. „Außerdem: die Farbe steht dir.“
Während Eske noch immer versuchte, den Stoff um ihre Mitte weiter zu ziehen, verschwand Editha hinter ihr. „Ich konnte nicht ahnen, dass deine höchst inoffizielle Einladung einen offiziellen Empfang meinte“, erwiderte Eske und schlüpfte in die Schuhe, die Editha ihr hinstellte – sie drückten vorne und waren noch dazu zu weit.
„Jose hat dir die Einladung vor Tagen gegeben.“ Editas Antwort war untermalt von einem Klappern. „Wie dem auch sei: Es ändert nichts daran. Nun musst du Gunillas Kleid auftragen.“ Erneut erschien sie neben Eske, bewaffnet mit Bürste und einigen gelben Bändern. „Hoffen wir, sie erkennt es nicht wieder.“
Verwundert drehte sich Eske zu Editha um. „Deine Schwester kommt zum Empfang?“
„Ich habe sie eingeladen“, erwiderte Editha nachdenklich und schüttelte dann den Kopf. „Nein, die kannst du nicht tragen. Du wirst deine grünen Samtschuhe anziehen müssen.“ Damit rauschte sie schon wieder davon, zu einer Kommode auf der anderen Seite des Raumes.
„Edi, deine Schwester kommt zu dem Empfang? Heute?“
„Vielleicht“, gab Editha zurück und kramte in einer Schublade. „Sie gab mir – wie üblich – keine Rückmeldung.“ Bewaffnet mit grünen Bändern kam sie wieder zu Eske. Bevor sie sie nun jedoch weiter bemutterte, sah sie ihr in die Augen. „Meine Schwester weiß nicht, dass ich dich als Ehrengast geladen habe. Sie wird wie jedes Jahr die Einladung einfach ignorieren.“
Eske schüttelte verständnislos den Kopf. „Und wenn sie doch kommt, um die Gelegenheit zu nutzen, mir etwas anzuhängen?“
Jetzt lächelte Editha versöhnlich. „Ihre Arbeit bei der Behörde für die Magie-Kontrolle hat nichts auf einem Empfang zu suchen. Selbst, wenn sie kommt, wird sie sich daran halten müssen, oder ich lasse sie hinausgeleiten. Und jetzt“, schloss sie das Thema einfach ab und nickte gen eines Sessels. „Setzte dich, damit ich mich um deine Haare kümmern kann.“
