Vom Ausmisten und Ballast abwerfen

Voll gefüllte Papiermülltonne.

Ich miste aus. In meiner Wohnung steht eine schon seit Jahren dringend notwendige Renovierung an und ich nutze die Gelegenheit mich von einigen Dingen zu trennen – auch meine schon lange verstaubten Ordner mit meinem ebenso verstaubten überdimensionierten Erstlingswerk.

Der Anfang vom Schreiben

Irgendwann irgendwo habe ich die Geschichte, wie ich zum Schreiben kam, sicherlich schon erzählt; es war nicht das klassische: “Ich habe schon immer Geschichten geschrieben!”. Nein, mein Zugang zum Schreiben von Geschichten kam in der 11ten Klasse in einer Deutschstunde. Das Thema war kreatives Schreiben und es war das erste und einzige Mal, dass wir uns in der Schule damit beschäftigt hatten. Aber es eröffnete mir die Faszination an meinem eigenen Kopfkino.

Die Geschichte die ich damals schrieb rankte sich um eine Figur, die im Grunde mein damaliger Alter Ego war. Ich habe über sie geschrieben und habe sie im Rollenspiel ebenfalls verwendet. 

Nun war ich damals aber sehr naiv, sehr still und sehr wenig von mir selbst überzeugt. Ich wusste aber zumindest, was ich mochte und was nicht und wurde von meinen Mitschüler*innen in der Oberstufe auch einfach so akzeptiert, wie ich war. Damals war ich sehr auf einer düster-romantischen Schiene – und genauso sah das aus, was ich schrieb.

Romantasy und ich

Kurz vorweg: Es ist mittlerweile zwanzig Jahren her, dass ich mein Abitur gemacht habe. Die Twilight-Reihe existierte noch nicht, der erste Band von “Game of Thrones” war gerade erst erschienen und das Internet nahm langsam Fahrt auf. Meine Vorstellung von düster-romantischer Fantasy war geprägt durch Musicals und Ravenloft-Romane aus dem D&D-Universum.
Beides war an Input irgendwann erschöpft und so ging ich sehr darin auf, selbst zu schreiben.

Mit etwas Abstand betrachtet, weiß ich mittlerweile, warum die wenigen Personen, denen ich etwas zu lesen gab, den Love Interest meines Alter Ego nicht leiden konnten. Das ging sogar soweit, dass mein Bruder eigene Funtasy-Texte mit ihm als den unbesiegbaren Oberbösen schrieb. Hätte er weiter verfolgen sollen, denn die finde ich immer noch weit lesenswerter und unterhaltsamer, als meine Erstversuche.

Dennoch versuchte ich vor einige Jahren mein Erstlingswerk zu überarbeiten und teilweise neu zu schreiben. Das war der Punkt, an dem ich feststellte: das ist Romantasy. Und ich kann mit Romantasy einfach nichts anfangen. Irgendwann in meinem Leben habe ich verstanden, dass mich das gegenseitige anschmachten von Figuren in einer Story (manchmal nachdem sie sich ausgiebig gehasst haben …) überhaupt gar nicht reizt. Mich interessieren vor allem die Figuren, die Dynamik zwischen ihnen und ich brauche keinen Romance-Aspekt für eine Geschichte. Wenn es auf mich auch noch erzwungen und/oder unlogisch wirkt, finde ich es sogar lästig. Dass ich etwas geschrieben hatte, bei dem das sogar das zentrale Thema ist, war für mich zu dem Zeitpunkt schon schwer nachzuvollziehen. Die größte Klischee-Klatsche war aber mein Alter Ego.

Balast abwerfen

Zu dem Zeitpunkt, als ich versuchte das alles zu überarbeiten war mir eines schon klar: mein Alter Ego war in der gesamten Geschichte viel zu passiv. Das versuchte ich zwar zu ändern, aber am Ende war sie trotzdem nur das kleine schüchterne Mauerblümchen und einfach nur langweilig. Das typische “erblühen” gab es in der Story übrigens auch nicht. Da gab es einfach keine Weiterentwicklung.
Dazu gab es noch den unangenehme Aspekt, den ich in Bezug auf Romantasy leider auch allzu oft mitbekommen habe: Sie gab sich selbst auf. Im zweiten Roman existierte sie zu Beginn sogar nur noch weil sie glaubte, ein Freund bräuchte sie. Und um der Klischee-Klatsche genüge zu tun musste erst ein jemand in ihr Leben treten, der ihr einen Grund gab, weiterzuleben.

Von dem noch planlosen Teenie-Ich von damals habe ich mich emotional allerdings um Meilen entfernt und somit auch von meinem Alter Ego. Schlimmer noch: ich habe keine Verwendung mehr für den Charakter! Ich wüsste nicht, in welchem Umfeld meiner jetzigen Ideen und Geschichten sie noch irgendeine Rolle spielen könnte – nicht mal eine Nebenrolle.

Selbst eine Weiterentwicklung widerstrebt mir. Die Storyline um den Charakter lässt die Klischee-Leiste quasi platzen: Eltern tot, bei Ziehmutter im Dorf aufgewachsen, Prota bricht irgendwann auf, um etwas über sich zu erfahren, trifft einen Kerl, verliebt sich und gibt alles auf, obwohl er ein Vampir ist und sie schon Jahrhunderte zuvor schon mal quasi umgebracht hat, dann taucht noch ein zweiter Kerl auf und bla bla …
Um diese Figur hat sich einfach so viel an Klischee und unangenehmen Aspekten angesammelt, dass ich sie komplett neu erfinden müsste. Aber lohnt sich das? Beim letzten Überarbeitungsversuch hatte ich es nur geschafft, dem Vampir einen nachvollziehbaren Hintergrund für seine Motivation zu verpassen, sodass er deutlich interessanter ist, als die Prota selbst.

Also habe ich eine Entscheidung getroffen und entrümple nicht nur meinen Schrank. Ich entledigte mich meines Alter Ego und noch einiger anderer Ideen, die damit zusammenhängen. Ich habe jede Menge neue, innovativere und durchdachtere Charaktere, über die ich schreiben kann. Auch wenn sie alle sicherlich einen Teil von mir widerspiegeln, ich würde davon keinen noch als “Alter Ego” bezeichnen. Und das ist gut so. So gewinne ich also nicht nur Platz im Schrank, sondern auch im Kopf.

Einzig die Ursprungsgeschichte werde ich behalten, denn damit fing schließlich alles an 😇

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