Sananka beobachtete Florin, wie sie sich all die alchemistischen Gerätschaften im Regal ansah, als seien selbst diese Dinge neu für sie. Sie streckte eine Hand nach einem Glaszylinder aus. Sofort war Sananka neben ihr. „Lass das bleiben!“, zischte sie und Florin zuckte zusammen. Wo war sie nur mit ihren Gedanken, dass sie Sanankas Einwand überraschte? „Konzentrier dich gefälligst auf die Aufgabe!“
„Aber wir warten doch nur“, protestierte Florin halblaut.
Sananka biss die Zähne zusammen und atmete tief durch. Dann strich sie mit den Fingerspitzen über den dunkelblauen Stoff ihrer Jacke, hob den Kopf und sah zur Decke. Nur die Ruhe bewahren. „Wir warten ohne etwas kaputt zu machen. Und wir wollen nicht auffallen!“
„Warum glaubst du, ich würde hier etwas kaputt machen?“
„Weil du unerfahren bist, tollpatschig und vor allem eine Träumerin.“
„Das stimmt nicht!“ Florin verzog schmollend den Mund. „Unerfahren ja, aber ich bin weder tollpatschig noch eine Träumerin! Ich kann aufpassen!“
Sananka verdrehte die Augen und hob mahnend einen Finger an den Mund. „Nicht so laut!“
Florin holte schon Luft, klappte dann aber ihren Mund wieder zu, ohne einen weiteren Einwand zu erheben.
„Oh, du hast nachgedacht“, spottete Sananka und schüttelte den Kopf. „Das solltest du öfter tun. Und …“ Abwehrend hob sie eine Hand. „alles, was dir jetzt auf der Zunge liegt, solltest du herunterschlucken und dich stattdessen auf deine Aufgabe konzentrieren. Vielleicht wird das dann irgendwann mal was mit dir.“
Plötzlich wurden Florins Augen weit und flehend. „Du meinst, ich kann Wächterin werden?“
Sananka blinzelte und schüttelte entschieden den Kopf. „Nein! Ich meinte, vielleicht müssen wir uns dann nicht doch noch jemand anderen suchen!“
Auf die Worte sanken Florins Mundwinkel nach und nach herab, als müssten sich Sanankas Worte ersteinmal einen Weg durch Florins Kopf bahnen, Buchstabe für Buchstabe, um zu begreifen, was das bedeutete. „Du bist ziemlich fies“, grummelte sie.
„Dann bin ich eben fies“, gab Sananka trocken zurück. „Ich bin nun mal kein Kindermädchen.“ Das Quietschen einer Tür weiter Hinten im Laden ließ sie verstummen. Noch einmal hob sie den Zeigefinger an den Mund und wandte sich dann dem älteren Mann zu, der heran geschluft kam und ihr eine hölzerne Schatulle gab. Sananka wusste, dass Florin innerlich kochen musste. Dennoch hielt sie sich zurück, ließ Sananka zahlen und knirschte lediglich mit den Zähnen. Doch als sie einige Minuten später auf der Straße standen, sah Florin Sananka entgegen. „Und ich werde es doch schaffen!“ In ihren grünen Augen flammte etwas auf, dass Sananka gut kannte: Stolz und Entschlossenheit. „Du kannst noch so gemein zu mir sein, ich werde es schaffen, eine Wächterin zu werden!“
Sananka hob die Augenbrauen und schmunzelte. Vielleicht war mit Florin ja doch noch nicht das letzte Schlückchen Wasser getrunken.
