Gebt mir ein Wort: Hirngespinst

Um mein Hirn wieder etwas anzuregen, habe ich wieder um Worte gebeten. Von Eva Maria Höreth bekam ich das schöne Wort „Hirngespinst”.
Hier also meine Eingebung dazu 🙂

Sie lag alleine in ihrem Bett, es roch nach Kohle und Räucherwerk, das von der Stube hinauf in ihr Schlafzimmer zog; süße Düfte, die sie einsetzte, damit die Stoffe nicht den scharfen Gestank nach Rauch aufsogen, wenn sie den Ofen anheizen musste. Das Gemisch kitzelte ihre Nase – und holte sie abrupt gänzlich aus dem Schlaf. Sananka setzte sich auf und ertastete neben sich Kyles Körper. Seine Wärme vertrieb das Gefühl von Falschheit. Es kam immer, wenn sie zwischen Traum und Wirklichkeit wanderte. In diesen Momenten wusste sie, dass sie nicht mit Kyle in einem Bett liegen sollte, dass sie nicht glücklich sein sollte, etwas anderes für sie vorgesehen war …
Neben ihr regte sich Kyle und setzte sich ebenfalls auf. Sie konnte ihn in der Dunkelheit nicht sehen, doch sie spürte seinen Blick auf sich. „Wieder schlecht geträumt?“, fragte er leise.
Doch Sananka schüttelte den Kopf und glitt aus dem Bett. Sie öffnete den Fensterladen und ließ die kalte Nachtluft herein. Nein, das war kein Traum. Das war etwas anderes. Nachdenklich rieb sie sich die Augen und stützte sich auf das Fensterbrett, während die Nachtluft unter ihr Hemd fuhr und ihre Haut in eine Gänsehaut verwandelte.
Kyle seufzte und stand ebenfalls auf. Er legte ihr eine Decke um die Schultern und umarmte sie von hinten. „Du denkst schon so lange, dass da etwas dran ist. Fast, seit ich dich kenne.“
„Nein, erst seit wir davongelaufen sind“, hielt Sananka dagegen. „Es kommt mir vor, als wäre es nicht richtig gewesen, dass wir davongelaufen sind.“
„Nichts hätte richtiger sein können, als aus dem Waisenhaus zu fliehen.“
Sananka seufzte. „Ich weiß. Aber es kommt mir so vor, irgendetwas ist falsch an all dem hier.“ Sie hob die Hände und macht eine allumfassende Geste. Kyle griff nach ihrer Hand und strich über ihre Finger, die Stümpfe ihres Ring- und kleinen Fingers, hinab zu ihrem Handgelenk. „Nein, meine Finger sind es nicht, Kyle“, meinte sie, zog ihre Hand weg und drehte sich zu ihm um. Er musste sie loslassen. „Es ist nicht nur im Schlaf, ich spüre es auch, wenn ich singe. Jedes Mal, wenn ich auf der Bühne stehe und singe, weiß ich dass es kein Hirngespinst ist; ich weiß, ich dürfte nicht dort stehen, ich weiß, wir dürften nicht zusammen sein. Nicht so und nicht hier.“
Kyle hob resignierend beide Hände, sagte dazu jedoch nichts mehr. Sananka wusste, weswegen. Lange hatte sie das Gefühl ignoriert, doch es wurde stärker. Sie sah noch einmal aus dem Fenster. Die Stadt lag ruhig und dunkel dort, geradezu friedlich. Hätte sie nur selbst diesen Frieden haben können.

Alle weiteren Texte zu meinem kleinen Wortspielaufruf findet ihr hier: Gebt mir ein Wort!

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