5-Minuten-Abstecher: Vergangenheit (Sananka)

Sananka stand auf der Galerie, beide Hände auf das Geländer gelegt. Unten standen gepolsterte Sitze, fein säuberlich in Reih und Glied und füllten den ganzen Saal. Doch außer Sananka schaute niemand zu. Nur ganz vorne, direkt an der Bühne saßen drei Gestalten. Ob Mann oder Frau konnte Sananka nicht sagen. Genauso wie der Orchestergraben waren sie nicht mehr als Schatten, denn das Licht erstrahlte nur die Bühne. Und dort stand sie: goldene Locken fielen aus einer Hochsteckfrisur in ihren Nacken, ihre Augen erstrahlten in einem dunklen Grün und sie sang. Tief in Sanankas Innerem rührte diese Stimme etwas, sie wusste, sie kannte sie. Sie wusste, sie hatte sie gehört, als sie noch ganz klein war. Damals hatte sie sie tief in ihr Herz eingeschlossen und sich erinnert, wenn sie im Waisenaus Angst hatte …
Jetzt unterbrach ein Mann die Probe und stieg zu der Sängerin auf die Bühne. Er zeigte ihr dramatische Gesten, die ihre Rolle stützten sollten. Dann wurde erneut der Takt angeschlagen und das Orchester nahm das Lied wieder auf. Die Sängerin ahmte die Gesten nach und der Mann schien zufrieden. Dann hauchte er ihr einen Kuss auf die Wange, ohne dass sie sich irritieren ließ; sie sang einfach weiter.
Ob sie ahnten, dass sie einmal eine Tochter haben würden?

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