Sie brauchten nicht weit zurücklaufen, bis der Wald erneut leuchtete. Noch immer schob sich das Licht Meter um Meter voran. Langsam gingen sie die Straße entlang, ihre Umgebung musternd. Baumstämme ragten wie schwarze Arme aus dem Boden, die Äste der Büsche bildeten lange und dünne Finger. Eske war angespannt und zuckte zusammen, als es neben ihnen im Gebüsch knackte. Ein Tier sprang vor ihnen auf den Weg, es reichte ihr nichteinmal bis zu den Knien, doch es war robust und breit gebaut.
„Nur ein Dachs“, sagte Jose erleichtert. Doch kaum hatte er das gesagt, zuckte das Licht in den Augen des Tieres, es riss sein Maul auf und sprang auf Eske zu. Sie reagierte sofort und hieb mit dem Schwert nach dem Tier. Sie erwischte es an der Seite. Das Schwert riss Fell mit sich und entblößte Knochen über einem leeren Brustkorb. Der Dachs sprang abermals und Eske schlug zu, um ihn am Boden zu halten. Sie schlug und schlug immer wieder, so lange, bis Jose ihre Arme festhielt. „Eske, es ist tot – denke ich.“
Schwer atmend sah sie auf die Überreste nieder. Sie hatte Knochen zerschmettert und Fleisch zerteilt. Eine Pfote des Tieres lag einige Schritte entfernt. Doch noch immer schien sich der Dachs zu regen. Die Muskeln zuckten, die Knochen rieben aneinander, doch sie hatten nicht mehr genug halt, um aufzustehen und anzugreifen.
„Eske, wenn es auch Tiere befällt …“ Jose sprach den Satz nicht zu Ende, doch Eske wusste, was er sagen wollte: Wenn dieser Zauber auch Tiere befiel, war es im Wald weit gefährlicher, als sie bisher angenommen hatte.
Gleichzeitig liefen sie weiter. Sie begegneten noch mehreren Tieren, doch keines war annähernd so groß, wie der Dachs. Ein Vogel mit einem hängenden Flügel schleppte sich den Weg entlang. Einige Nagetiere kreuzten ihren Weg und Kopf eines Fuchses stierte sie zähnefletschend an. In allen funkelte das blaue Licht, doch keines der Tiere hatte genügend Gliedmaßen um sich ernsthaft fortzubewegen.
Als sie sich erneut dem Unglücksort näherten, an dem Kanu’um gestorben war und der die Leichname der Frauen den Baron zerfleischt hatten, wurden Jose und Eske langsamer. Geduckt näherten sie sich soweit, bis sie die Schatten erkennen konnten. Die lebenden Leichen waren noch immer dort. Drei Schatten hoben sich vom Licht des Waldes ab, alle zerschunden und nur von einem Zauber zum Leben erweckt.
„Er muss uns weiter hinten verloren haben“, flüsterte Jose neben ihr. Er wollte schon umkehren, doch Eske hielt ihn zurück.
„Jose, der Baron …“
Jose wollte nachhaken, doch sie deutete nur auf den dritten Leichnam. Sein Kopf hing schief auf den Schultern, seine Eingeweide quellen aus seiner Seite heraus und schleiften über den Boden. Eske drehte sich weg und würgte.
Jose legte ihr eine Hand auf den Rücken. Es war beruhigend, dass wenigstens er die Ruhe bewahrte, obgleich auch er bleich war. „Ein Stück weiter hinten habe ich einen Weg gesehen, der in den Wald hinein führt. Vielleicht ist er dort lang gegangen.“
Eske nickte und raffte sich auf. Hauptsache sie kamen hier weg. In dem Moment sprang kreischend eine Ratte aus dem Gebüsch und schnappte nach ihr. Sie verfehlte Eske nur um Haaresbreite und wurde kurz darauf von Joses Dolch an den Boden genagelt, ehe er sie Zweiteilte und ihre Beine abhackte. Ein unnatürliches Brüllen drang zu ihnen hinüber. Als Eske aufsah, sprangen drei menschliche Leichen auf sie zu. „Weg?!!“, schrie sie. Zusammen rannten sie davon. Eskes Herz schlug bis zum Hals, sie hörte, die die Leichname sprangen, doch sie wagte nicht sich umzusehen. Erst, als Jose sie am Arm zur Seite zog und den Weg hinein, von dem er gesprochen hatte, wusste sie, wie nahe die Toten bereits waren: Eine Klauenhand zuckte nur Zentimeter an ihrem Gesicht vorbei. Ein gellender Schrei folgte und entfernte sich. Eske und Jose liefen weiter.
