Malerin der Toten 16

In der Kutsche saß nur Meister zu Lauenkamp. Jose hatte es sich neben Kanu’um auf dem Kutschbock bequem gemacht. Als die Kutsche losratterte beobachtete Eske das Haus. Niemand achtete auf sie. Die Menschen versuchten den Flammen Einhalt zu gebieten, sie hatten eine Wasserkette gebildet. Doch sie waren zu wenige, um das Gebäude zu retten. Eske seufzte. „Habt Ihr in Euren Sturm keinen Regen vorgesehen?“
Meister zu Lauenkamp blinzelte verwirrt und folgte ihrem Blick hinaus. „Oh, Ihr meint wegen des Hauses?“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist kein sehr präziser Zauber. Ich hatte auch kein Gewitter vorgesehen.“
„Wo habt Ihr gelernt mit Magie umzugehen?“
„Hmm, hier und dort.“ Die Kutsche bog um eine Ecke, auf die Straße zum Wald hin. Das Feuer verschwand aus ihrem Sichtfeld und mit ihr die taghelle Nacht. Übrig blieb nur das schwache Licht der Lampe, die Meister zu Lauenkamp an einem Haken im inneren der Kutsche befestigt hatte. „Wisst Ihr, in der Landschaftsmalerei hat es sich als praktisch erwiesen, das Wetter ein wenig manipulieren zu können. Und einem vergesslichen alten Kauz wie mir hilft es, eine einfache Möglichkeit zu haben, ein Schloss zu öffnen, wenn ich meine Schlüssel wieder einmal verlegt habe.“
Eske lächelte. „Beherrscht ihr noch andere Zauber?“
„Ja, doch alles nur kleine Kunststücke. Ich bin ebenso wenig ein Magier, wie es Euer Kanu’um zu ein scheint.“
„Also könnt Ihr mir auch nichts über den Fokus sagen?“
„Bedauerlicherweise kaum etwas. Ich weiß lediglich, dass sie zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden können und von einem Alchemisten hergestellt werden.“
„Alchemisten?“ Das überraschte Eske. Sie war davon ausgegangen, der Baron sei ein Magier, kein Alchemist. Oder war er gar beides? Das machte sein Werk nur noch undurchschaubarer. „Benötigt man für …“ Ein Ruck ging durch die Kutsche, Eske stieß hart an die Wand, die Lampe klirrte verdächtig und auch Meiser zu Lauenkamp ächzte, als er sich wieder aufrappelte. Jose fluchte in einer Manier, die Eske seit Jahren nicht mehr von ihm gehört hatte. Allarmiert stieg Eske aus. Sie waren mitten in Wald stehengeblieben, der Wind bließ hier nicht mehr so kräftig, dennoch hatte er einen Baum umgerissen. Vor ihnen auf der Straße ragte das Geäst in die Dunkelheit und versperrte ihnen den Weg. Jose und Kanu’um versuchten den Baum anzuheben, doch es gelang ihnen nicht. Auch mit Eskes Hilfe konnten sie ihn nur ein kleines Stück bewegen, ehe sich die Zweige verkeilten. Meister zu Lauenkamp konnte ihnen mit einer der beiden Öllampen nur Licht spenden. Dieses Mal hatte er keinen Zauber parat.
Nun saßen sie erneut fest. Die Pferde scharrten nervös mit den Hufen. Eskes Beine begannen zu zittern. Sie waren entkommen, nur um nun während eines Sturmes mitten im Wald festzusitzen.
„Wir müssen weiter“, stellte Kanu’um fest und nahm die zweite Öllampe an sich. „Sicherlich haben sie unser Verschwinden bereits bemerkt.“
Panik überrollte Eske, das Atmen fiel ihr plötzlich schwer und sie sah sich hektisch um, ohne wirklich etwas zu sehen. Lediglich das nervöse Wiehern der Pferde drang ihr in die Ohren. „Nein … nein!“ Sie wollte nicht wieder gefangen genommen werden! Sie wollte nicht doch noch als Körperspenderin enden! Um sie herum geriet alles in Aufruhr. Kanu’um und Jose stritten sich, dann nahm Kanu’um ihre Hand und legte etwas hinein. „Hier, der ist eure Sicherheit.“
Verwirrt sah Eske auf den Ring hinab. Als sie Kanu’um wieder aufblickte, lächelte er. Es war wieder dieser Blick, der sie so unheimlich faszinierte und die Panik wie einen bösen Traum vertrieb. Eske lächelte ebenfalls und küsste ihn. Nur Sekunden währte es, doch als sie ihn danach wieder ansah, wusste sie es: Sollte sie das alles überleben, könnten sie vielleicht glücklich werden.
Der Augenblick war vorbei, als Jose sich einmischte und die Straße hinunter deutete: „Hebt euch eure Turtelei für später auf! Sie kommen!“ Schatten waren zu erkennen und Hufgetrappel drang zu ihnen hinauf. Eske griff Kanu’ums Arm, um ihn in das gebüsch zu ziehen, doch der Sturm hatte die Geräusche zu lange übertönt, die Schatten entpuppten sich nur wenige Sekunden danach als drei Reiter – die sie umzingelten.

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