Malerin der Toten 13

Eske schnappte nach Luft, doch Kanu’um schien genauso erstaunt über die Fremden zu sein, wie sie über sein plötzliches Erscheinen. Er setzte an etwas zu sagen, doch Jose war schneller und zückte einen Dolch. „Keine Bewegung, Schurke!“, befahl Jose und Kanu‘um. Sah ihn seltsam an. War es Verwirrung? War es Belustigung? Eske konnte den Ausdruck in seinen Augen nicht einordnen. Folgsam hob Kanu’um die Hände und ließ bereitwillig zu, dass Jose ihn auf Waffen untersuchte – er trug keine bei sich. Dafür jedoch einen Schlüsselbund. Als Jose nach diesem griff, geriet plötzlich Bewegung in Kanu’um; eine Hand schnellte vor, seine Finger umschlossen die Klinge des Dolches und er riss ihm die Waffe aus den Händen. Der Dolch schlitterte über den Boden und klirrte hinter Eske an die Wand. Eske war sich sicher, die Schneide hatte Kanu’ums Finger durchtrennt, sie hatte Blut hervorquellen sehen. Doch im selben Moment war das blaue Licht in seinem Nacken aufgewallt, hatte seinen Arm und seine verletzte Hand durchzuckt und seine Wunden geheilt. Noch während die Heilung packte Kanu’um Jose am Kragen und schleuderte ihn gegen die Wand. Atemlos griff Jose sich an die Brust.
„Mir wurde aufgetragen, Eske hinaus zu bringen“, sagte Kanu’um trocken. Kaum hatte er die letzte Silbe gesprochen, klackte das Schloss von Eskes Zellentür. Meister zu Lauenkamp hatte sich nicht davon abhalten lassen, seine Bemühungen fortzusetzten. Alle Blicke fielen auf die Eisentür und den alten Mann daneben. Eske reagierte zuerst und stieß das Tor auf. Keinen Moment später schleuderte Kanu’um es mit voller Wucht wieder zu. Eske stolperte zurück und fiel auf die Pritsche. Der Blick, mit dem Kanu’um sie maß war kalt, doch das währte nicht lange. Jose warf sich auf ihn und drückte ihn gegen die Gitterstäbe. Eske tastete nach dem Dolch. Kaum hatten ihre Finger ihn gefunden, schlang sie einen Arm durch die Stäbe um Kanu’ums Hals und zog ihr fest gegen das kalte Eisen. Kanu’ums Hände krallte sich in ihren Arm, seine Gegenwehr aber währte nur Sekunden. Dann lachte er plötzlich. Es hallte von den Wänden wieder und Eske erschauderte. Sie setzte Kanu‘um die Dolchspitze in den Nacken, dort wo sie das Licht gesehen hatte. „Eine falsche Bewegung, Kanu’um, und ich ramme dir den Dolch in deinen Fokus!“
Jose, der den Anderen noch immer gegen die Gitterstäbe presste, ließ nun ab und fuhr sich durch die roten Haare. Schweiß rann ihm von der Stirn. Meister zu Lauenkamp hatte derweil die Tür erneut geöffnet. „Was machen wir mit ihm?“, wollte er wissen.
„Wir lassen ihn hier, in einer der Zellen.“
Joses Vorschlag war auch Eske genehm. „Schließt bitte die zweite Zelle auf.“
„Ihr werdet hier nicht alleine hinausfinden.“
„Oh, nun fang nicht damit an!“ Mit einer ausladenden Handbewegung wischte Jose Kanu’ums Aussage beiseite. „Solche Tricks fruchten nur in kitschigen Abenteuerromanen.“
„Das Haus brennt.“ Kanu‘um lächelte, doch Jose war nicht gewillt ihm zu glauben. Doch jetzt, wo Kanu’um es erwähnte, stieg Eske ein schwelender Geruch in die Nase; hauchzart und doch beißend. Und Kanu’um bestätigte ihre Befürchtung. „Vorhin schlug ein Blitz in das Haus ein. Deswegen bin ich hier, deswegen sollte ich Eske hinaubringen.“
„Was, das ist doch…“, begann Jose. Der Rest seines Satzes ging in einem Getöse unter, mit dem Sand von der Decke rieselte. Unbehaglich blickte Jose hinauf und schluckte hart. Eske zitterte. Mit einem Ruck, befreite sich Kanu‘um aus ihrem Griff, trat jedoch sogleich zwei Schritte von Jose fort und hob beschwichtigend die Hände. „Ich werde euch helfen.“
Jose lachte, doch auch wenn er versuchte selbstsicher zu wirken, es gelang ihm nicht. „Woher der plötzliche Sinneswandel?“
„Ihr habt eine Möglichkeit hier unbeschadet herauszukommen, alle.“ Er sah Eske an. „Das Haus über uns Brennt, uns schützt lediglich die massive Tür noch vor den Flammen und dem Rauch. Ich bin durch einen geheimen Ausgang gekommen. Er verläuft durch den halben Garten und endet in der Mitte das Labyrinthes.“
Eskes Beine zitterten, als sie endlich aus der Zelle heraustrat. „Wo ist der Gang?“
„Ich zeige ihn euch und ich werde mit euch gehen.“
Eske wechselte einen Blick mit Jose. Doch Meister zu Lauenkamp sprach ihre Gedanken aus. „Wenn es keinen anderen Weg hinaus gibt, können wir Euch hier schlecht kreppieren lassen. Wir sind keine Unmenschen!“
Ein schiefes Lächeln umspielte Kanu’ums Lippen. „Ich weiß, ich bin hier der Schurke.“

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