„Winter, du darfst da nicht rausgehen.“
Über das Heulen des Windes hatte er ihre Schritte nicht gehört. Vermutlich hatte sie ihm schon eine Weile zugesehen, wie er hastig Vorräte in einen Sack stopfte. Wie hatte er nicht wenigstens ihre Blicke im Nacken spüren können? Energisch zog er den Sack zu und drehte sich zu der Sprecherin um. Das Haus war dunkel, er konnte ihre Silhouette im Türrahmen erkennen, als ein Blitz durch die Nacht zuckte. Sananka trug wie gewöhnlich Hemd und Hosen, die ihren schmalen Körper kaschierten, aber Winter wusste, womit er es zu tun hatte. Oft genug hatte er bereits mit ihr zusammengearbeitet. Sie war schnell, einfallsreich und hartnäckig; und sie stellte sich ihm in den Weg.
„Ich muss. Geh mir aus dem Weg.“
Statt zu tun, was er verlangte, streckte sie die Arme aus und schüttelte entschlossen den Kopf. „Wir wissen nicht, wo sie ist oder was sie jetzt vorhat. Du kannst jetzt nicht einfach da raus gehen und sie suchen.“
„Oh doch“, entgegnete Wunter scharf und stieß sie beiseite. Sananka stolperte zurück und hielt sich an einem der wackeligen Küchenregale fest. Teller und Tassen klirrten, Töpfe schepperten, als sie ihm nachsetzte. „Sei doch mal vernünftig!“ Winter spürte ihre Hand auf der Schulter, doch auch diese schüttelte er ab. „Das wäre glatter Selbstmord!“, ließ Sananka nicht locker und zog heftig an seinem Mantel. Der Kragen schnitt ihm in den Hals, doch Winter löste den Verschluss, noch ehe er selbst ins Wanken geriet.
„Außerdem“, fuhr Sananka unbeirrt fort und ließ seinen Mantel zu Boden fallen, „was willst du tun, wenn du sie gefunden hast? So wie sie drauf war, als sie gegangen ist, wird sie dich umbringen.“
Winter warf ihr einen eisigen Blick zu. Ohne zu antworten wandte er sich ab und schnellte auf die Tür zum Hof zu. Sananka reagierte sofort, etwas sauste durch die Luft auf ihn zu. Instinktiv ließ er sich fallen. Vor ihm krachte ein Tonkrug an die Wand. Eine braune Flüssigkeit sickerte das Holz hinab, der Geruch nach Gewürzen breitete sich aus. Sofort sprang Winter wieder auf die Beine. Weitere Gegenstände flogen und verfehlten ihn nur um Haaresbreite. Er hatte nicht viel Spielraum und griff nach einem Topf. Rückwertes drang er weiter zur Tür vor, während Sananka weiter Dinge nach ihm warf. Der Topf diente als provisorisches Schild, klirrte in einem fort, wenn er getroffen wurde. Die Küche war nicht groß und Sananka verfehlte selten. Kaum spürte Winter die Tür hinter sich, tastete er mit einer Hand nach dem Riegel, der sie verschlossen hielt. Noch einmal atmete er tief durch, holte aus und warf den Topf nach Sananka. Im gleichen Moment zog er am Riegel und wollte die Tür aufstoßen, doch sie ließ sich nicht öffnen. Erstaunt sah er ein silbernes Funkeln, dass den Riegel und den ganzen Türrahmen umfasste. Die Tür war magisch gesichert.
Doch noch im selben Moment begriff er, dass dieses Erstaunen zu viel gewesen war. Er schaffte es gerade noch den Kopf zu drehen, ehe ihn auch schon etwas hartes am Kopf traf. Das letzte was er wahrnahm, war Sananka, die mit dem Topf in der Hand über ihm stand.
