Sananka: Allein

„Es ist ziemlich einsam hier, ohne jemanden vor dem man nicht alles verheimlichen muss“, murmelte Sananka, den Blick zu den Sternen gerichtet. Dort schimmerte das Zeichen des Zeitschiffs. Das Sternzeichen, hinter dem sich eine ganze Organisation verbarg, weitab jeden Einflusses von Zeit oder Raum; hinter dem sich ihre Freunde verbargen. Und sie selbst saß hier, mitten auf einem der Dächer einer Stadt, in der sie zuvor noch nie gewesen war und versuchte sich auf einen Auftrag zu konzentrieren, der noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen würde.
Sananka zog die Knie an und schlang die Arme darum. Nie hätte sie gedacht, dass ihr jemals Menschen so sehr fehlen würden, wie ihre Freunde jetzt. Schon nicht zu wissen, wie es um Kyle stand, nagte an ihr und noch mehr, dass sie mit niemandem darüber sprechen konnte. Sicherlich, sie hatte während der Zeit hier bereits einige nette Menschen kennengelernt, doch zu einer richtigen Freundschaft konnte sie es nicht kommen lassen. So lang sich die Zeit auch zog, wenn sie einsam war, so kurz würde sie doch sein, wenn sie Freundschaften schloss, die sie am Ende nicht würde halten können. Nein, Sananka würde danach irgendwo anders versuchen die Zeitlinie zu wahren – vielleicht dieses Mal nicht alleine. Derzeit wäre sie bereits froh, hätte sie Lailah hier. Zwar nahm sie es ihr noch immer übel, Marius damals ausgeliefert zu haben, aber sie wäre wenigstens jemand gewesen, der ihre Sorgen und ihre Einsamkeit hier verstand.
Knarrend wurde hinter ihr eine Luke im Dach aufgeschoben. „Hela?“, fragte Boren bereits, noch ehe er den Kopf hinaus geschoben hatte. „Hela, was machst du hier oben?“ Der etwas dickliche Mann kletterte nur müsam und sehr vorsichtig auf das Dach hinaus. Auf allen Vieren krabbelte er zu ihr hin, als habe er bedenken, ob ihn die Schieferplatten hielten.
„Warum bleibst du nicht einfach in der Luke?“, fragte Sananka und lächelte.
„Ich habe dich schon überall gesucht.“ Bedächtig setzte er sich neben sie und versuchte nicht hinunter zu schauen. „Aerwen fragt nach dir. Er ist schon richtig wütend, weil keiner weiß, wo du bist.“
Sananka hob die Schultern. „Ich habe mir nur etwas die Sterne angesehen.“
„Die Drachenhöhle?“Er hob den Arm und deutete auf eine Sternenkonstellation, die Sananka nicht kannte. „Oder vielleicht den Ziervogel da hinten?“ Seine ausgestreckte Hand wanderte weiter nach rechts.
„Ach, ich habe doch keine Ahnung von Sternbildern“, wiegelte Sananka den wohlgemeinten Versuch ab, Interesse zu zeigen, und erhob sich. Boren machte sofort Anstalten, sie festzuhalten, hielt aber inne, als ihm klar wurde, wie sicher sie auf dem Dach stand. „Erschreck‘ mich nicht so!“
Sananka grinste und schüttelte den Kopf. „Nicht jeder hat Höhenangst, wie du“, neckte sie ihn, bevor sie sich zu der noch offenen Luke aufmachte. „Ich gehe jetzt besser zu Aerwen, sonst reißt er mir noch den Kopf ab, obwohl ich garnicht gegen die Ausgangsregeln verstoßen habe.“ Sein beleidigtes Schnaufen war nichteinmal zu überhören, als sie schon halb die Leiter auf den Dachboden hinabgestiegen war. Noch einmal schüttelte sie den Kopf. Es war schwer ihm auszuweichen. Er war nett, aber in ein paar Wochen würde sie ihn vermutlich ohnehin nicht wieder sehen. Weswegen also ihre Zeit und ihr Vertrauen verschwenden?

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