Brutstätte

Sonnenlicht fiel durch das einzige Fenster und malte ein buntes Mosaik auf den Boden. Unzählige Fetzen verzerrter Gesichter; Augen, Nasen und Münder breiteten sich zu ihren Füßen aus. Während Vyncent unschlüssig stehen blieb und Ilay interessiert die Glaskunst betrachtete, schritt Liliana den Rand des Lichtbogens ab. Der Boden war eben und glatt geschliffen, ganz anders als die von vielen Gläubigen ausgetretenen Böden der ihr bekannten Tempel. Und doch erinnerte sie die ganze Atmosphäre an einen Ort der Anbetung. Preiset den Gott, der mit tausend Augen alles sieht, mit tausend Ohren alles hört und mit tausend Mündern alles verschlingt. Der Gedanke kribbelte in ihrem Magen. Sie spannte sich an, um ein Schauder zu unterdrücken. Lag das diesem Ort? Auch ihr Hund Maé schnüffelte unschlüssig und verbarg den Schwanz zwischen den Hinterläufen.
„Was stellt das dar?“, wollte Vyncent wissen.
Ilay runzelte die Stirn. „Ich habe keine Idee, wer das hier gebaut hat.“ Mit andächtigem Blick betrachtete er die Kuppel über ihnen, die Gänge, die wie die Zacken eines Sterns in alle Richtungen wiesen. „Die Katzen vielleicht. Manchmal legten sie viel Wert auf die Gesichtsformen. Allerdings fehlen hier die üblichen Reptilienmerkmale. Da ist nicht eine gespaltene Zunge in den Mündern zu sehen und die Nasen passen ebenfalls nicht.“
Skeptisch beäugte Vyncent Ilay und schürzte die Lippen. „Und … das heißt?“
„Es ist gruselig“, beantwortete Liliana die Frage, noch ehe Ilay seine üblichen Erklärungsversuche hören ließ, und grinste. „Genau der richtige Ort für Monster.“

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