Alena trat an die Mauer, die den Balkon des höchsten Schlossturmes umgab. Der Wind zerrte an ihrer Kleidung, doch nicht er ließ sie frösteln. Er fegte über die Ebene, zerbrochene Fahnen flatterten, Staub umwehte die toten Körper von Menschen und nicht-menschlichen Wesen.
Wie viele Male hatte sie das bereits mit angesehen? Wie viele Male hatte es auf diese oder ähnliche Weise geendet?
Jemand trat neben sie. Sie brauchte nicht hinzusehen. Die Lautlosigkeit seiner Bewegungen verbarg dennoch nicht das Rascheln seiner Kleider und niemand sonst befand sich in dieser trostlosen Burg.
„Etwas spielt gegen uns“, flüsterte Alena, ohne den Blick von der Ebene zu nehmen. „Jylian, diese Welt versucht uns hier festzuhalten.“
Auch er betrachtete die Ebene. „Ihr haltet Euch selbst hier fest.“
Jetzt sah sie ihn an, seine blassen Züge, umrahmt vom Schwarz seiner Haare und seiner Kleidung spiegelten wider, wie gleichgültig ihm der neue Fehlschlag war. Er hat recht, Alena, ging es ihr durch den Kopf. Du könntest genauso gut einen Weg für dich alleine suchen, um wieder nach Hause zu kommen. Doch sie wusste genau, was sie davon abhielt: Sie wollte helfen, ihm und allen anderen, die in dieser Trostlosigkeit festsaßen.
Ein zynisches Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. “Ihr habt Recht. Aber es wäre nicht richtig.“
„Ihr glaubt wirklich, Ihr könnt all dies beenden“, stellte er fest. Der Blick seiner dunklen Augen traf den ihren. So verschlossen er auch war, es war nicht schwer zu erraten, wie ihn ihre Einstellung verwunderte.
Der Zynismus entfloh ihrer Stimme und wandelte sich in den weichen Tonfall, mit dem sie für gewöhnlich sprach. „Ich weiß, ich kann es.“ Trotz all der bisherigen Rückschläge, die sie kaum noch zu zählen vermochte, sie war sich darin sicher. „Nur den richtigen Weg muss ich noch finden. Doch ich fürchte, ich finde ihn nicht hier.“
Jylian lächelte kalt, die einzige Anteilnahme, die er daran nahm. „Ich halte Euch nicht auf.“
„Nein“, entgegnete Alena nachdenklich. Ihr Blick schweifte über das Gemäuer, die Ebene und den im hellen Mondlicht aufwallenden Nebel, der im Wind zu tanzen begann. „Aber vielleicht möchtet Ihr mich begleiten?“
„Nein, ich werde hier warten, bis alles vorbei ist.“
Alena sah ihn an, wie er sich erneut der Ebene zuwandte und hinaus in die Nacht starrte. Seine Entscheidung stand fest; er haderte nicht damit, hatte sich damit abgefunden alleine zu sein. Dieses Land hatte ihm jegliche Hoffnung genommen.
Herzschläge vergingen, doch schließlich nickte sie. Vielleicht war es besser so. Er würde warten, vielleicht mit dem Funken an Hoffnung, sie würde alles zu einem Ende bringen.
So gab es nur noch eines zu sagen: „Dann lebt wohl“
Within Temptation – Jillian (I’d give my soul)
PS: Das Video finde ich übrigens nicht wirklich gut, mir geht es einzig um das Lied 🙂
