„Was willst du?“ Zariomy drehte sich nicht um und starrte weiter aus dem vergitterten Fenster, hinaus auf die schiefen Häuser, deren Silhouetten sich schwarz von dem drohend roten Hintergrund abhoben. Das Feuer färbte den Himmel rot und orange; eine andere Morgendämmerung, die den einen Hoffnung brachte, den anderen jedoch einen tiefen Sturz.
Bedächtig trat Orchidae neben ihn, einen ganzen Kopf kleiner als er und doch genauso erhaben, wie er selbst. „Ich denke, du solltest schlafen. Es ist vorbei … wir haben verloren.“ Federleicht legte sie eine Hand auf seine Schulter.
„Wozu schlafen?“, fragt Zariomy scharf und fuhr herum, entriss sich ihrer Berührung. „Damit unsere Hinrichtung umso schneller heranrückt?“
Verstimmt trat Orchidae einen Schritt zurück und hob stolz das Kinn. „Sie wird uns nicht hinrichten!“ Ihr Kleid war schmutzig, Schlamm und Blut klebten an den Fetzen, die einst ein wunderbares Reitkleid gewesen waren – einst, vor wenigen Stunden. Und doch bestand kein Zweifel daran: Orchidae war von hoher Geburt, gewohnt Befehle zu geben und zu erreichen, was sie immer wollte. „Das kann sie sich nicht leisten!“ Voll Wut und Hilflosigkeit ballte sie die Hände zu Fäusten.
„Woher willst du wissen, was sie sich leisten kann und was nicht!?“, zischte er zurück. „Du hast die Geschichten über sie gehört! Sie hält sich nicht an die Konventionen. Sie ist eine Feindin des Adels! Sie würde uns am liebsten selbst den Bauch aufschlitzen und zusehen, wie wir elendig verrecken!“
„Hör auf das zu sagen!“ Orchidaes Stimme zitterte. Wütend trat sie auf ihn zu und funkelte ihn mit hasserfüllten blauen Augen an. „Sie ist eine Adelige! Auch sie hat Verpflichtungen! Glaubst du, die ganze Bevölkerung dieser verfluchten Stadt stünde hinter ihr, handle sie nicht nach deren Bedürfnissen?“
Er schnaubte verächtlich und strecke die Hand deutend zum Fenster. „Was macht dich glauben, die Bürger wollten uns nicht tot sehen? Sie haben ihren Palast in Brandt gesteckt, um uns loszuwerden! Eine Hinrichtung käme ihr sehr gelegen! Sie könnte öffentlich Demonstrieren, uns geschlagen zu haben.“
Orchidae folgte seinem Deut und starrte aus dem Fenster, gebannt von dem Flammenmehr, das den Palast fraß. „Nein …“, wisperte sie. Doch das Wispern ging in Wut über. „Nein … nein, nein, nein!“ Abrupt wandte sie sich ihm zu. „Zariomy, wir müssen hier heraus!“ Entschlossen trat sie der Tür entgegen, die ihre Zelle verschloss. „Wir werden hier herauskommen! Wir sind von Dornenghayl, wir lassen uns nicht von so einer überrumpeln! Einem verfluchten Bastard!“ Orchidae trommelte mit Fäusten auf die Tür ein, brüllte hinaus, sie verdiene eine bessere Behandlung, begann auf die Tür einzutreten. Ohne Erfolg. Die Tür blieb verschlossen. Sie sahen einem ungewissen Schicksal in den Händen der Herzogin entgegen.
